Letztes Update: 23. August 2022
Phubbing ist, sich in Gesellschaft nur noch dem Smartphone zu widmen und anwesenden Personen keine Beachtung mehr zu schenken.
Der Begriff ist eine Wortkreation aus den englischen Begriffen “Phone” und “snubbing”, wobei snubbing schwer ins Deutsche zu übersetzen ist und soviel wie “unfreundlich abweisen” bedeutet.
Wenn du mit deiner Schwester und ihrem Mann in angeregter Unterhaltung auf der Terrasse sitzt und dein Schwager klinkt sich irgendwann mehr oder weniger unverhohlen aus, um am Handy herumzuspielen. Du fragst ihn etwas, aber er hebt nicht mal den Kopf und reagiert erst nach der dritten Ansprache, leicht gereizt. Das ist Phubbing.
Oder deine Kollegin fängt im Meeting an, unterm Tisch wie wild Nachrichten zu verschicken, wobei sie total darin versinkt und der gerade Vortragenden keine Beachtung mehr schenkt. Auch Phubbing.
Wenn man das liest, kommt einem das gleich wahnsinnig unhöflich vor, oder? Ich wurde sofort an vergangene Situationen erinnert, in denen ich selbst schon gephubbt wurde, ich fühlte mich unwichtig und einsam.
Aber wenn wir ehrlich sind, waren wir auch fast alle auf der anderen Seite: Irgendwann ist doch jede von uns schon mal selbst in Gesellschaft Dritter ins Display gekippt, sei es, um Nachrichten mit Familienmitglieder hin- und herzuschicken, noch schnell was für den Job zu erledigen oder -hoffentlich unbemerkt- kurz mal eine Runde bei Insta zu drehen.
Oftmals bemerken wir unser Verhalten nicht einmal, weil wir sofort geradezu vom Handy absorbiert werden und unsere Umwelt kaum noch wahrnehmen.
Wir bemerken auch nicht, dass unser Gegenüber sich vermutlich ausgeschlossen und abgelehnt fühlt, sobald wir unseren Blick in Richtung Smartphone abwenden.
Was macht Phubbing mit uns?
Um keine schlechte Stimmung zu machen, sagen wir meistens nichts, wenn wir gephubbt werden. Dabei wurmt es uns und in uns brodelt ein wachsendes Gefühl des Unwohlseins.
Das Schlimme: aus dem Gefühl der Verlassenheit sucht der gephubbte und einsam in der echten Welt sitzengelassene Mensch häufig selbst Zuflucht bei Instagram oder Facebook. Dann ist es nicht so peinlich, quasi in Anwesenheit versetzt worden zu sein.
Auch wenn es also so scheint, als sei alles in Ordnung: wissenschaftliche Studien machen deutlich, wie stark Phubbing unser Wohlbefinden und unsere Beziehungen zu anderen Menschen wirklich beeinflusst. [1]
Das Handy immer dabei
Tatsächlich reicht es schon, dass ein Smartphone stumm und ungenutzt, aber sichtbar auf dem Tisch liegt, dass Menschen sich weniger verbunden fühlen und die Qualität eines Gesprächs leidet.
Denn die bloße Präsenz des Phones löst in uns die antrainierte Erwartung aus, dass jeden Moment eine Nachricht, ein Klingelton, ein Buzz eingehen könnte. Und das lenkt von dem eigentlichen Geschehen, dem persönlichen gemeinsamen Erleben, ab.
Ist es nicht schade, dass die Geräte, die ursprünglich dazu da waren, uns unseren Mitmenschen näher zu bringen, nun daran schuld sind, dass unsere Beziehungen erkalten und leiden?
Überall wird gephubbt
Noch dazu erweist sich Phubbing als echter Teufelskreis: Werden wir von anderen gephubbt, entsteht in uns das Bedürfnis nach sozialer Interaktion und Aufmerksamkeit. Da wir dies von unserem Gegenüber, das mit seinem Handy beschäftigt ist, nicht bekommen, suchen wir diese Anerkennung woanders – und wenden uns selbst Social Media Apps zu. Gephubbte werden zu Phubbern.[2]
Auf diese Weise verbreitet sich Phubbing immer weiter und wird immer weniger als asozial und störend wahrgenommen. Phubbing ist in vielen Kreisen nicht nur gesellschaftlich akzeptiert, sondern längst die Norm der sozialen Interaktion.
Dabei verschlechtern sich unsere zwischenmenschlichen Beziehungen zunehmend, und kaum ein Lebensbereich ist davon ausgenommen. Phubbing ist ein gesellschaftliches Problem in Partnerschaft, Freundschaft und in der Familie. Wenn Kinder oder Lebenspartner*innen immer wieder in Konkurrenz zum Smartphone treten, leidet darunter die Qualität der Beziehung signifikant.
Ganz besonders Kinder brauchen den Augenkontakt zu ihren nächststehenden Personen, denn es ist die intimste Form der Verbindung [3] und die direkteste Möglichkeit, Emotionen zu lesen. Kommt diese Form der Verbindung zu kurz, verkümmert eine grundlegende zwischenmenschliche Kommunikationsform.
Aber auch beruflich kann es zum Problem werden. Stelle dir nur vor, du wirst von deinem Gesprächspartner im Job Interview gephubbt (ist mir selbst schon passiert) oder dein Boss ignoriert dich und deine Ausführungen (für die du gestern zuhause noch Überstunden gemacht und völlig gestresst alle angegiftet hast) in einem wichtigen Meeting, weil sie nebenbei ihren Wochenendtrip plant.
Frustrierend und schädigend ist Phubbing vor allem, weil es meistens unbewusst “passiert”, denn es liegt ihm in der Regel ein geradezu zwanghafter Drang zugrunde, das Handy zu checken.
Wer merkt, dass sie sich nicht mehr so gut konzentrieren kann, die Aufmerksamkeit leidet, weil die Gedanken immer wieder abschweifen, oder sogar Einschlafschwierigkeiten auftreten, sollte dann doch mal über einen Digital Detox nachdenken.
Auslöser
Normalerweise sind es drei Motive, die zu Phubbing führen, und die in verschiedenen Gewichtungen und Konstellationen meist gemeinsam auftreten: Fomo, Handysucht und mangelnde Selbstkontrolle.
Fomo ist eine Abkürzung des englischen Ausdrucks “Fear of missing out”.
Ich kenne es nur zu gut, und du kennst es auch: Die Angst, irgendetwas Wichtiges zu verpassen. Fomo ist der Grund, weshalb ich mich damals von meiner besten Freundin noch todmüde um halb drei in den hinterletzten Club hab schleppen lassen, denn es könnte ja noch “was gehen”.
Die gleiche Sorge, etwas nicht mitzubekommen, führt leider in den letzten 10 Jahren auch immer mehr dazu, dass wir wie ferngesteuert wieder und wieder zum Handy greifen und unseren Insta-Feed aktualisieren.
Ok, es sind nur eine weitere weiße Wohnung mit schwarz-weiß kariertem Teppich, eine schriftliche Aufforderung, doch endlich mal zuerst an mich zu denken, und viele dieser aus dem Boden schießenden “Expertinnen”, die in ihren Stories immer etwas peinlich berührt tanzen und dabei etwas bemüht mit dem Zeigefinger immer wieer in alle Himmelsrichtungen zeigen. Aber es hätte ja auch etwas Interessantes dabei sein können!
Fomo und Handysucht lassen sich eigentlich nicht voneinander trennen, denn Fomo ist ein Hauptauslöser für zwanghaftes Handyverhalten.
Dass es sich um ein Suchtverhalten handelt, zeigt sich unter anderem daran, dass Betroffene diese ganzen sehr unhöflichen Verhaltensweisen an den Tag legen, und dabei gar nicht mehr merken, dass sie andere damit vor den Kopf stoßen.
Verhaltensweisen
Phubbing erkennst daran, wenn du
- mitten in der Unterhaltung den Drang verspürst, auf dein Handy zu schauen – und diesem auch nachgibst
- dich deinem Smartphone zuwendest, sobald die Unterhaltung pausiert
- Das Smartphone immer sichtbar auf dem Tisch liegt oder gut sichtbar für dich in der Tasche liegt
- wenn du auf jeden Anruf, jede Nachricht oder Push-Mitteilung reagierst, auch wenn du gerade mitten im Gespräch bist
Meistens nutzt du beim Phubbing dein Smartphone, um
- durch deinen Social Media Feed zu scrollen,
- Nachrichten zu lesen oder zu beantworten
- ein Foto oder eine Story zu posten
- Online Spiele zu spielen
Wie mit Phubbing umgehen?
Wenn du gephubbt wirst, kann das ein sehr frustrierendes, trauriges Erlebnis sein. Vor allem, wenn du dich sehr auf ein Treffen gefreut hast, oder dir etwas auf dem Herzen liegt, das du unbedingt besprechen wolltest. Es kann einem auch einen Stich ins Herz versetzen, die wichtige Person vor dir so absurd intensiv mit einem kleinen schwarzen Gerät beschäftigt zu sehen.
Dir sollte klar sein, dass Du nur dein eigenes Verhalten ändern kannst. Wirst du gephubbt, versuche dem Drang zu widerstehen, als Reaktion selbst die nächstbeste Social Media App aufzumachen. Trau dich, die Person möglichst ohne beleidigten Vorwurf auf ihr Verhalten anzusprechen und teile ihr mit, wie sich das für dich anfühlt.
Phubber reagieren oft erst einmal gereizt auf Kritik an ihrem Verhalten, ähnlich wie Raucher*innen, die nicht zur Zigarette greifen dürfen. Aber im Normalfall wird dein Gegenüber dein Problem verstehen und das Handy vorerst einpacken.
Vergiss auch nicht, dass auch du sicher irgendwann schon anderen zugemutet hast, dir beim Smartphone-Daddeln, smsen oder Fotos bearbeiten zuzuschauen. Phubbing kann jedem passieren.
Solltest du diejenige sein, die gebeten wird, ihr Smartphone wegzulegen. Versuche, dem Unwillen zu widerstehen und sei dankbar, dass deine Gesellschaft so geschätzt wird. Ein persönliches Gespräch ist so viel mehr wert als das 100ste Update deines Streams.
[1] eine der bekanntesten Studien ist: Roberts/David: My life has become a major distraction from my cell phone: Partner phubbing and relationship satisfaction among romantic partners